Es geht um nicht weniger als um die Zukunft des Marketings im digitalen Zeitalter. Rückblickend auf meinen beruflichen Werdegang finde es ja schon etwas witzig ,dass gerade ich darüber schreibe. Danke für das Angebot von Winfried Felser an der Blogparade zu Ehren von Prof. Heribert Meffert teilzunehmen. Ich freue mich sehr hier meine Sicht auf die Zukunft des Marketings beisteuern zu können. Meine Sicht ist geprägt von meinen Vertriebsgenen und einem damit verbundenen starken Pragmatismus.

Marketing war für mich lange eher so eine Art „Feindbild“. In meinen 25 Jahren als Vertriebsleiter und Vertriebsvorstand hatte ich oft meinen Kampf mit den lieben Kollegen, die sich doch viel lieber um „schöne“ Sachen – ich nenne es auch dekoratives Marketing – wie Webseiten, Flyer und Events gekümmert haben, als um Kunden und Interessenten. Ich habe mich gerne um diese für manche unbequemen, weil messbaren Themen gekümmert. Das liegt sicher auch an meiner pragmatischen Weltsicht. Als ich noch angestellter Vertriebs-Direktor und -Vorstand war, hatte ich immer das Gefühl mein Marketing diskutiert im Elfenbeinturm darüber, wie hungrig sie doch sind und wie toll es doch wäre etwas zu Essen zu bekommen. Dabei stehen die vollen Tafeln (Kunden) direkt vor der Tür. Man müsste sich ihnen einfach nur zuwenden und sich mit ihnen beschäftigen. Vor ein paar Jahren begab es sich dann, dass ein neues Marketing am Horizont abzeichnete. Twitter, Facebook & Co. erschienen auf der Bildfläche. Da mich als Vermarkter schon immer die Frage beschäftigt, wie ich meine potenziellen Kunden erreichen kann, habe ich mich mit Freude diesen neuen Trends gewidmet. 2010 habe ich in meinem Buch „Twittern für Manager“ beschrieben, wie sich die 140 Zeichen im Marketing und Vertrieb nutzen lassen. Das war auch der Anlass den Schritt in die längst fällige Selbstständigkeit zu wagen und als Strategieberater und Umsetzungsunterstützer Unternehmen auf dem Weg zu den Potenzialen der Digitalisierung im Marketing und Vertrieb zu begleiten.

Damals interessierten mich die philosophischen Diskussionen, ob Social Media jetzt Spielerei oder Heilsbringer ist, überhaupt nicht. Mit den Genen eines Vertrieblers interessierten mich erst einmal nur die Ergebnisse. Was sich für mich recht schnell heraus kristallisiert hatte, war das sich hier die Marketinggeister scheiden. Mit dem Vorgehen des klassisch, gelebten Marketing alleine ist im Social Media kein Blumentopf zu gewinnen. Ja, CI ist wichtig. Unternehmen sollten wissen, wie sie wahrgenommen werden möchten, welche Werte sie vertreten usw., usw. Solange sie aber im Ego-Posting Modus („Wir sind Marktführer.“, „Uns gibt es schon 35 Jahre.“, Unsere Produkte sind die Besten.“, „KAUF MICH!“) bleiben, werden sie im neuen Zeitalter der Vermarktung wenig erreichen. Denn bei Social Media bleibt es ja nicht. Marketing-Automation und modernes Lead Management sind mittlerweile auch im DACH-Bereich angekommen. Als ich 2010 die ersten Berührungspunkte mit Marketing-Automation hatte, war das für mich wie eine Erleuchtung. So habe ich mir Vermarktung schon immer gewünscht. Nicht wegen der Automatisierung, sondern wegen der Kundenorientierung. Denn:

Bei der Digitalisierung im Marketing und Vertrieb geht es in erster Linie um Menschen. Denn nur wer die Menschen verstanden hat, kann erfolgreich im Marketing und Vertrieb digitalisieren und automatisieren. Menschen sind die Wunschkunden, aber auch die Mitarbeiter im Marketing und Vertrieb, die als und für Menschen agieren.

Die Digitalisierung im Marketing und Vertrieb bietet Unternehmen großartige Möglichkeiten ihre Marktpräsenz zu optimieren, mehr Kunden zu gewinnen, ihren Umsatz zu steigern und zu wachsen. Dazu müssen sie aber raus aus ihrem Ego-Elfenbeinturm. Was Social Media schon gezeigt hat, wird in den weitern Schritten der Digitalisierung immer deutlicher. Die Sieger sind nicht die Unternehmen mit der besten Technologie. Die Sieger werden die Unternehmen sein, die ihre (potenziellen) Kunden am besten kennen. Sven Bruck nennt das empathisches CRM. Aus meiner Sicht beginnt der Prozess aber schon lange vor dem CRM-System. Um neue potenzielle Kunden zu generieren, muss ich sie definieren und profilieren. Wie Profiler / Fallanalytiker erstellen Marketing und Vertrieb detaillierte Buyer-Persona Profile (Wunschkunden-Profil).

Umdenken 1:
Erfolg in der Vermarktung basiert auf einer intensiven Beschäftigung mit (potenziellen) Kunden und deren Schmerzpunkten, Herausforderungen und Verhalten.

Buyer-Persona Profile sind Grundlage für die erfolgreiche Leadgenerierung. Sie sollten zusammen mit Marketing, Vertrieb und Service erstellt werden.

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Bildhintergrund: © industrieblick – Fotolia.com, Inhalt: Norbert Schuster

Umdenken 2:
In Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung müssen Marketing und Vertrieb eng zusammenarbeiten. Die Zeit der Silos ist vorbei. Nicht von ungefähr gibt es in den USA schon den Trend zum Chief Revenue Officer.

Julian Archer vom Analystenhaus SiriusDecisions sagt dazu:
„Besonders wichtig ist der gemeinsame Blick von Marketing und Vertrieb auf den Prozess vom „Cold to Close“. Und wie das Unternehmen einen Lead und die Abstufungen des Leadprozesses (Lead-Level) definiert.“
Julian Archer, julian.archer@siriusdecisions.com

Neben den demografischen Daten, Profildaten, Verhaltenspräferenzen und Motivatoren der Wunschkunden, kommt dem Kaufprozess – der Customer Journey – aber auch eine große Bedeutung zu.

Julian Archer vom Analystenhaus SiriusDecisions beschreibt das so:
„Marketing sollte schon immer die Kunden verstehen. In Zeiten von Internet und Social Media reicht es aber nicht mehr aus, nur Empathie und Einfühlungsvermögen für den Kunden aufzubringen. Marketing muss für den Prozess vom „Cold to Close“ profundes Wissen über die potentiellen Kunden und ihr Stadium im Kaufprozess aufbauen.“
Julian Archer, julian.archer@siriusdecisions.com

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Bild: ©PresentationLoad, Inhalt: Norbert Schuster

Dieses Wissen fließt in die Konzeption von Touchpoints, Content und Prozesse ein. Dabei kommt dem Content eine besondere Bedeutung zu. Er ist der Treibstoff für alle Aktivitäten und muss unbedingt relevant, hilfreich oder unterhaltend für die Wunschkunden sein.

Umdenken 3:
Der Content muss relevant für die (potenziellen) Kunden sein!

Denn:
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Bildhintergrund: Pixabay.com, Zitat: Norbert Schuster

Nur mit relevantem Content lassen sich…

  • neue Interessenten generieren (Wasserloch-Strategie)
  • Interessenten bis zur Vertriebsreife bzw. zum Abschluss entwickeln
  • Bestandskunden zum Wiederkauf entwickeln

Marketing-Automation
Im klassischen Vermarktungsmodell wurden generierte Leads meist direkt an den Vertrieb übergeben. In der Folge gab es drei frustrierte Parteien:

  • Der Vertrieb: „Was soll ich mit diesen Leads? Die taugen nix!“
  • Das Marketing: „Wir geben uns so viel Mühe und Ihr kümmert Euch nicht um die Leads.“
  • Der Interessent: „Was wollen die von mir? Ich wollte mich doch nur mal informieren.“

Ich nenne das auch den „Grüne Bananen Effekt“. Warum grüne Bananen? Beißt man in eine grüne Banane, wird die nicht sonderlich lecker schmecken. Man könnte vermuten die Banane sei schlecht. Die grüne Banane ist aber nicht schlecht, sie ist nur noch nicht reif für den Verzehr. Und genau so verhält es sich auch mit Interessenten/Leads. Werden die zu früh vom Vertrieb angesprochen, sind sie oft in Ihrem Entscheidungs- bzw. Kaufprozess noch nicht reif für den vertrieblichen Kontakt.

Lead-Nurturing gegen den „Grüne Bananen Effekt“
Die Lösung für diesen Effekt ist Lead-Nurturing. Mit Lead-Nurturing bietet man Interessenten die richtigen, relevanten Informationen zum passenden Stadium in seinem Kaufprozess an. Man könnte auch sagen: Man macht aus einer grünen Banane eine gelbe Banane. Der Interessent entscheidet selbst, wann er welche Informationsangebote annimmt, welche Zusatzinformationen er preisgibt (Progressive Profiling) und qualifiziert sich so quasi selbst. Erreicht der Interessent einen von Marketing und Vertrieb definierten Schwellwert, wird er an den Vertrieb und das CRM-System übergeben.

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Bild: ©PresentationLoad, Inhalt: Norbert Schuster

Umdenken 4:
Interessenten müssen reifen, bevor sie an den Vertrieb übergeben werden! Die Reifung erfolgt automatisiert, aber individualisiert in einem Marketing-Automation Prozess.

Veränderungen im Vertrieb
Landen diese hoch entwickelten und qualifizierten Interessenten im CRM-System und somit im Vertrieb, muss hier natürlich auch ein Umdenken stattfinden. Viele Informationen über den Interessenten, die im klassischen Vermarktungsmodell noch der Vertrieb in Erfahrung bringen musste, generiert heute der Lead-Nurturing Prozess in der Marketing-Automation Plattform. Auf diese Informationen kann der Vertrieb aufbauen und seine Vertriebsstrategie und Argumentation anpassen. Das verkürzt nicht nur die Akquisitionszeit, sondern erhöht auch noch die Chance auf einen Vertriebserfolg.

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Bild: ©PresentationLoad, Inhalt: Norbert Schuster

Zum Schluss möchte ich noch auf die veränderte Rolle des Marketingleiters hinweisen. Geschäftsführer und Vertriebsleiter sprechen meist auf Augenhöhe über ähnliche Ziele und Messgrößen wie Umsatzsteigerung und Wachstum. Der Marketingleiter sprach bisher oft nur in einer für sie „seltsamen“ Sprache von Awareness, Image, Followern und Markenwert. Das kann er heute auch noch. Im modernen Vermarktungsmodell spricht er jetzt aber auch auf Augenhöhe eine Sprache, die seine Kollegen aus der Geschäfts- und Vertriebsleitung verstehen. Denn das Marketing trägt jetzt mess- und skalierbar zum Unternehmenserfolg bei.

Umdenken 5:
Im modernen Marketing ändert sich die Bedeutung des Marketings für das Unternehmensergebnis und damit auch die Rolle des Marketingleiters.

Es ist schon beeindruckend wie stark Prof. Meffert einen für die Wirtschaft so wichtigen Bereich geprägt und beeinflusst hat. Als Pionier des klassischen Marketings ist er natürlich kein „Digital Native“. Er beeinflusst aber trotzdem die „jungen Wilden“ und gibt wichtige Impulse für die Zukunft des Marketings. Seine 4Is werden uns auch bei den nächsten Schritten der Digitalisierung begleiten.

  • Innovation: Die Innovation wird uns weiter treiben und wir tun gut daran innovative Lösungen mit Mut und Bedacht zu wählen.
  • Individualität: Jeder Kunde ist ein Individuum und er möchte auch so behandelt werden. Seine Bedürfnisse sind der Maßstab für Marketing – und Vertriebsverantwortliche.
  • Integration: Je mehr Kanäle, Marketinginstrumente und Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen, desto besser müssen wir sie orchestrieren.
  • Integrität: Bei allen Möglichkeiten, die sich uns in der Vermarktung bieten, sollten gesellschaftlich verantwortungsvolles ehrliches und ethisches Verhalten immer das Leitbild unseres Handelns sein.

Danke für Ihre Impulse für das Marketing und alles Gute zu Ihrem 80zigsten Geburtstag, Herr Prof. Meffert.

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